Liebe Leut',
mit dem Zug durch dieses Land zu fahren, das ist wie der Einzug in ein Überraschungsei. Und man freut sich über jeden Kilometer, den man zurückgelegt hat, ohne dass man mit außerplanmäßigen Ansagen konfrontriert wird, die z.B. bei Gluthitze die Selbstzerstörung der Klimaanlage verkünden, restlos aufgebrauchte Wasserbehälter und damit funktionsunfähige Toiletten, was dann auch noch von nicht zu öffnenden Fenstern flankiert wird. Wobei festzustellen bleibt, dass das gemeinsame Röcheln im Zug einem das persönliche Röcheln ein Stück weit erleichtert, weil es immer jemanden gibt, der noch mehr röchelt als man selbst. Das ist zwar alles nicht lustig, aber die selbsterlebte Realität. Es kann aber auch passieren, das man in öden Regionen, von denen man nicht mal erahnen wollte, dass sie überhaupt in Deutschland liegen, mit einem hochmodernen ICE liegen bleibt und die Durchsage ertönt, dass der Zug außerplanmäßig zum Halten kam, "weil für die vor uns liegende Strecke ein Fahrplan fehlt." Sollten Sie nun glauben, falsch zu lesen - nein, das ist tatsächlich so. Denn der Zug fuhr sonst auf einer anderen Strecke und man hatte einfach vergessen, einen neuen Fahrplan zu schreiben. Wo kommen wir da auch hin, wenn Züge plötzlich andere Strecken nehmen? Dabei ist das Verkehrsministerium gar nicht mehr in der Hand vom Scheuerandi! Funktionieren tut trotzdem nix. Also wartet man hierzulande, bis jemand einen Fahrplan geschrieben hat. Mich erinnert das ja alles ein wenig an meine Zeit bei der Bundeswehr, wo der hoffnungsfrohe Soldat sich ohne Marschbefehl keinen Zentimeter bewegte. Züge, die sich ohne Marschbefehl nicht bewegen, kannte ich bislang noch nicht. Der kam aber dann doch in Form eines Ersatzfahrplans und so marschierte der Zug fröhlich weiter, bis er, ein Stündlein später, vermutlich völlig erschöpft von der ungewohnten Arbeit, erneut hielt. Ich hatte in Gedanken schon das Lied "Ein Wagen von der Linie 8" vom Weißferdl im Kopf. Die Gegend war wirtlicher, das half aber gar nichts, weil der marschbefehlende Fahrplan nur bis hierhin galt und ein Zug halt nicht weiterfährt, wenn der Plan aus ist. Anderen Verkehrsmitteln geht Strom, Benzin oder Diesel aus, nein, der Bahn geht Plan aus. Bis Plan wieder verfügbar war tobte durch den Zug eine "la-Ola-Welle" der Bahnenthusiasten, die allerdings schon nach nach zwei Personen beendet war. Alle anderen fixierten, schon fast in Selbsthypnose verfallen, die Lautsprecher und warteten, bis wieder etwas knacken und dann das verzweifelte Räuspern des Zugführers zu hören sein würde. Das kam auch. In Hessen! Der Zug hielt und per Ansage wurde mitteteilt, dass man zwar einen Plan habe, wohin man fahren wolle und auch wisse, wie man da hin komme, dass man aber kein Personal dafür habe. Das würde sich verspäten, wie es schien. Es war halt nicht da. Ich vermute, dass es mit der Bahn anreisen wollte. Oder keinen Plan hatte. (Danke dem "Checkpoint" für diese Steilvorlage). Das Wetter.
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