Liebe Leut',
das Unwort des Jahres ist "biodeutsch". Was erstmal wie eine erfrischend gesunde Bio-Variante des angestaubten deutschen Daseins daherkommt, entpuppt sich in Wahrheit als eine Bezeichnung, die der Ausgrenzung dient, also so im Sinne von "wir" und "ihr". In den mehr oder weniger asozial gewordenen sozialen Medien wurde sogleich die Frage aufgeworfen, wie man denn den "richtigen" Deutschen sonst bezeichnen sollte? Die Irritation verstehe ich, denn ganz soweit, das Wort "Arier" wieder auszugraben, ist man hierzulande wohl noch nicht ganz. Mein Hinweis, dass es die Bezeichnung gar nicht brauche, weil ein Deutscher eben ein Deutscher sei, wenn er - gehen wir von einem Mann aus - einen deutschen Pass hat bzw. die deutsche Staatsbürgerschaft habe, egal, was er früher war, mit gleichen Rechten und Pflichten. Ja nun - die Diskussion war wenig ergiebig, denn dann, so stellte ein Diskussionsteilnehmer mit Entsetzen fest, wären ja alle mit deutschem Pass gleich. Also so richtig gleich! Ohne Unterschied. Anscheinend müssen die gefühlten 50 Generationen schollenverbundenem Deutschtums doch einen Sinn haben und sich in einer Art Deutschbonus niederschlagen, vermute ich. Gut, dass Leute nicht ahnen, was sie alles an Migrantentum in der Ahnenschaft haben. Man sollte vielleicht mal wieder Zuckmayers "Des Teufels General" zur Hand nehmen und lesen, wie der Harras dem Leutnant Hartmann seinen Stammbaum erklärt. Ich jedenfalls versuchte dann zu erklären, dass es in der Kirche dasselbe sei. Ein "konvertierter Irgendwas" ist nach der Taufe eben kein "getaufter Irgendwas", sondern einfach ein Christ. Von wegen einfach - das war dann schon wieder zu kompliziert. Einer machte dann den Vorschlag, statt "biodeutsch" das Wort "Kartoffel" zu verwenden. Das würde auch den Gehalt der Diskussion einigermaßen wiedergeben, die er als rechten "Stopfer" empfand. Ich frage mich seitdem, ob sich jemand auf den Schlips getreten fühlen könnte, wenn man ihn nicht als oder eben gerade als Kartoffel bezeichnete. Vermutlich wird man dann aber wieder auf "richtige" und "falsche" Kartoffeln kommen. Oder eben auf "Bio-Kartoffeln". Und was ist überhaupt mit "Bio-Kartoffeln", die z.B. aus Ägypten stammen? Das gibt ein arges Durcheinander, aber immerhin handelt es sich um eine typisch deutsche Diskussion, in der viel Zeit für nichts verschwendet wird. Wie schön. Das Wetter.
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